Verkehr & Infrastruktur – Energieeffizienz so weit das Auge reicht? Teil 2

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Das Jahr 2020 ist noch jung, doch in unserem Land hat sich schon einiges getan: Österreich startet ins neue Jahr mit einer neuen Bundesregierung samt neuem Regierungsprogramm. Die grüne Regierungsbeteiligung weckt Hoffnungen, dass sich im Bereich Klimaschutz einiges tut. Wir von POW haben uns das Kapitel „Klimaschutz, Infrastruktur Umwelt & Landwirtschaft“ des türkis-grünen Regierungsprogramms genauer angesehen und für euch die wichtigsten Aspekte zusammengefasst. In Teil 2 unserer Serie zum Regierungsprogramm stellen wir nun den Themenblock „Verkehr & Infrastruktur“ vor.

Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Erreichen einer Trendwende im Verkehrssektor hinsichtlich der CO2-Emissionen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, soll Verkehr vermieden, verlagert und verbessert werden. Das Endergebnis soll ein Verkehrssystem sein, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. All das soll logischerweise im Einklang mit den im letzten Beitrag vorgestellten Klimaschutz-Maßnahmen erfolgen.

Um die Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr (ÖV) zu bewegen, bedarf es attraktiver Angebote. Insgesamt soll das ÖV-Angebot deutlich ausgebaut und flexibilisiert werden. Besonders präsent in den Medien war bereits das sogenannte 1-2-3-Österreich-Ticket: Dieses Ticket soll um 1 Euro pro Tag in einem Bundesland, um 2 Euro für das eigene und das Nachbarbundesland und um 3 Euro für das ganze Land zu erstehen sein. Die Bundesregierung will damit eine „klimaschonende Alternative zum motorisierten Individualverkehr“ geschaffen haben, die „leistbar und zugleich unkompliziert zugänglich“ ist. Außerdem im Gespräch ist ein Austrorail-Ticket nach Vorbild von Interrail. Details dazu sind allerdings noch nicht bekannt. Stark im Fokus steht der Einsatz von „Shared Services“: so sollen öffentlicher und privater Verkehr gemeinsam organisiert werden. In diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff der „letzten Meile“. Vor allem in nicht-urbanen Regionen stellt die sprichwörtliche „letzte Meile“ beim Ein- und Auspendeln oftmals ein großes Hindernis dar. Dem soll u.a. durch den Ausbau von Park & Ride, Bike & Ride oder Carsharing-Lösungen an Bahnhöfen entgegengewirkt werden. Im Zuge der Attraktivierung des ÖV soll auch das Nachtzugangebot ausgebaut und die Fahrradmitnahme im Fernverkehr verbessert werden.

Die Tickettarife für den ÖV sollen zukünftig bundesweit vereinheitlicht und damit transparenter gemacht werden. Weiter soll ein Ticket nicht mehr nur für einen Verkehrsdienstleister gelten, sondern mehrere, also können dann beispielsweise der regionale Bus und der Fernverkehrszug mit einem Ticket genutzt werden. Sowohl in den Nah- als auch in den Regionalverkehr soll eine Milliarde investiert werden. Mit der Nahrverkehrsmilliarde sollen vor allem der Ausbau und die Verbesserung des Nahverkehrs in Ballungsräumen vorangetrieben werden. Darunter fallen etwa der Ausbau der Schieneninfrastruktur, die Fortsetzung der U-Bahn-Kofinanzierung, die Steigerung der Umweltverträglichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Modernisierung der Bahnhöfe zu sogenannten „Mobilitätsdrehscheiben“, womit die Verbesserung der Umsteigequalität Bus-Bahn, Park & Ride, Fahrradparken, Carsharing und Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge gemeint sind. Auch der Regionalverkehr soll mit der geplanten Milliardeninvestition ausgebaut, verbessert, modernisiert und attraktiviert werden. Weiters sollen der vermehrte Einsatz von alternativen Antrieben geprüft werden (Stichwort „Dekarbonisierung“) und die Energieeffizienz der öffentlichen Verkehrsmittel gesteigert werden. Auf europäischer Ebene soll die Zusammenarbeit im Fernverkehrsbereich forciert werden.

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Den Fahrradfahrer*innen und Fußgänger*innen ist ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Im Rahmen einer „Fahrradoffensive“ soll der Radverkehrsanteil bis 2025 von derzeit 7 % auf 13 % erhöht werden. Für diese Zielerreichung soll der Radverkehr künftig bei allen Infrastrukturinvestitionen und in der Raumplanung berücksichtig werden, was mit der Erhöhung des dafür vorgesehenen Budgets einhergeht. Der steuerlichen Benachteiligung im Radverkehr, wie etwas beim Kilometergeld, soll ein Ende bereitet werden. Stattdessen soll es für Radfahrer*innen sogar Vorteile bringen, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Für private Anschaffungen von Fahrrädern, Cargo-Bikes und E-Bikes bzw. die Schaffung entsprechender Abstellmöglichkeiten soll es Förderungen geben. Für Kinder ist ein „Aktionsprogramm Radfahren“ geplant. Im ländlichen Bereich steht die Attraktivierung der Radwege im Fokus.

Ein großes Ziel ist auch der Ausbau der E-Mobilität in allen Bereichen des (Straßen-) Verkehrs. Die Anschaffung von E- und Wasserstoff-PKW soll weiterhin gefördert werden, während die Neuanschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zur Ausnahme werden soll und zukünftig begründet werden muss. Ab 2027 will man in der öffentlichen (Neu-) Beschaffung Kfz mit Verbrennungsmotoren verbieten (Sonderfahrzeuge etc. ausgenommen). Außerdem sollen verstärkt alternative Kraftstoffe (z.B. Beimengung von Bioethanol) unter Beachtung der Treibhausgaseffekte von indirekten Landnutzungsänderungen genutzt werden. In diesem Zusammenhang wird auch der ehestmögliche Ausstieg aus der Verwendung von Biotreibstoffen mit negativer Ökobilanz (z.B. Palmöl) erwähnt. Ebenso wie der ÖV soll somit auch der Straßenverkehr dekarbonisiert werden. Interessant für die Konsument*innen könnte auch die angestrebte Ökologisierung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) sein, nur mangelt es hierbei noch an Details. Zu erwarten ist jedoch eine Bevorteilung energieeffizienter, umweltfreundlicher Vehikel. Auch Taxis, Mietwagen oder Reisebusse sollen künftig emissionsärmer betrieben werden. Hierfür soll es Förderungen für die Anschaffung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben geben. Das von der vorletzten Bundesregierung (ÖVP-FPÖ) eingeführte Pilotprojekt „140 km/h auf Autobahnen“ soll umgehend beendet werden. Stattdessen sollen die reduzierten Höchstgeschwindigkeiten (IG-L) in besonders belasteten Gebieten konsequent kontrolliert werden.

Der Güterverkehr soll von der Straße zunehmend auf die Schiene verlagert werden, wofür dieser ausgebaut und verbessert werden soll. Die Transitfrage beschäftigt Österreich – wie auch viele andere Alpenländer – schon lange. Die designierte Bundesregierung möchte nun Möglichkeiten prüfen, die verursachte Klima- und Umweltbelastung etwa in die LKW-Maut miteinberechnen zu können. Allgemein sollen die Mauttarife flexibler gestaltet und an das Tarifniveau der Nachbarländer angepasst werden. An den mancherorts gültigen sektoralen Fahrverboten, den LKW-Nacht- und Wochenendfahrverboten oder vergleichbaren Verboten soll weiterhin festgehalten werden. Auch etwaige PKW- und LKW-Abfahrverbote zur Vermeidung von Ausweichverkehr auf untergeordnete Straßennetze stehen zur Debatte. Ein wichtiger Punkt ist in diesem Unterkapitel auch der Ausbau des Lärmschutzes. Lärmschutzwände sollen zukünftig verstärkt für Photovoltaik-Anlagen genutzt werden.

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Der Flugverkehr soll möglichst klimafreundlich gestaltet werden. Im Gespräch sind diesbezüglich etwa die Prüfung einer Reduktion der Kerosinbevorratungspflicht, eine Effizienzsteigerung des österreichischen Flugbetriebes oder die Einführung eines globalen CO2-Kompensationssystems für den Luftverkehr. Letzteres soll der freiwilligen Kompensation womöglich weiter steigender CO2-Ausstöße der Luftfahrt ab 2021 dienen. Die neue Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, auf europäischer Ebene für eine mit anderen Treibstoffen in Relation stehende Besteuerung von Kerosin einzusetzen. Auf der Agenda steht außerdem die Entwicklung von klimaschonenden Treibstoffalternativen für die Luftfahrt, wofür viel Förderungsbudget bereitgestellt werden soll. Weiters soll eine Anti-Dumping-Ergänzung der Flughafen-Gebührenordnung geprüft werden. Auch in puncto Schifffahrt und Seilbahnen setzt man auf technische Innovationen in Richtung Energieeffizienz und Klimafreundlichkeit.

Bei all diesen Vorhaben soll die Digitalisierung miteinbezogen werden. Dadurch soll die Energieeffizienz – gemeinsam mit der Sicherheit – weiter verbessert werden. Beispiele hierfür wären „intelligente Fahrzeuge“, die mit Sensoren und Kameras ausgestattet sind, um Auffälligkeiten, wie Schlaglöcher oder defekte Ampeln, zu identifizieren, oder „intelligente Straßenlaternen“, die erkennen ob Personen oder Fahrzeuge in der Nähe sind, und sich erst dann bei Bedarf einschalten, wodurch der Strombedarf reduziert werden soll.

Die Bereiche Verkehr und Infrastruktur sollen in Zukunft insgesamt also verbessert, attraktiviert, modernisiert und energieeffizienter ausgebaut werden. Die Häufung der immer gleichen Verben im Regierungsprogramm ist auffallend, was jedoch auch auffällt, ist, dass die angestrebten Maßnahmen vielfach sehr unkonkret ausfallen. Selten werden präzise Maßnahmen erwähnt, häufig werden vage Ideen unterbreitet oder erwähnt, dass dies und jenes geprüft werden soll. Wie schon im letzten Kapitel finden sich auch in diesem nur in den seltensten Fällen klare Angaben zur Finanzierung der anvisierten Projekte.

Dass die Mobilität verbessert, attraktiviert, modernisiert und energieeffizienter ausgebaut werden muss, um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist wohl sonnenklar und dementsprechend dürfte auch unumstritten sein, dass es dafür konkreter Maßnahmen bedarf. Diese sucht man im Regierungsprogramm allerdings vergebens. Es bleibt also zu hoffen, dass die darin verschriftlichen Ideen in den nächsten Monaten noch weiter konkretisiert werden. Als Lichtblick im Vergleich zum Regierungspapier der gescheiterten ÖVP-FPÖ-Regierung aus dem Jahr 2017 kann der weitaus größere Seiten- und Maßnahmenumfang gedeutet werden, der den Bereichen Verkehr und Infrastruktur gewidmet wird. Ein weiterer Unterschied vom „alten“ zum „neuen“ Regierungsprogramm ist, dass der Fokus in den genannten Bereichen nicht mehr bloß auf der Wettbewerbsfähigkeit und der damit verbundenen Attraktivierung des Wirtschaftsstandorts Österreich liegt, sondern vermehrt auch der Klimaschutz eine Rolle spielt. Auch in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz ist einiges geplant – erfahrt mehr darüber im nächsten Blogbeitrag!

Author: Anna Siebenbrunner